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Dringend: Der Netzentwicklungsplan 2035

Am 5. März endet die Feedbackphase zum ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035 - ein Plan, der kein 1,5 °C-gerechtes Szenario berücksichtigt! Warum das ein Problem ist, erfährst Du hier.


Die Arbeitsgruppe Forderungen der Fridays for Future hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Expert*innen aus NGOs und Wissenschaft ein Schreiben verfasst, welches in möglichst großer Zahl bis zum 5. März bei der öffentlichen Konsultation (Feedback-Runde) zum aktuellen Netzentwicklungsplan eingehen soll!


Hier das Schreiben zum Kopieren (bitte nicht vergessen, den eigenen Namen einzufügen ;) ):



An: konsultation@netzentwicklungsplan.de <konsultation@netzentwicklungsplan.de>;


Betreff: Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan 2035


Sehr geehrte Empfänger*innen, liebe Übertragungsnetzbetreiber, liebe Bundesnetzagentur,

vielen Dank für den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035. Fridays For Future geht nun seit über zwei Jahren gemeinsam mit der Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland auf die Straße und kämpft für eine gerechte Bekämpfung der Klimakrise. Dafür sind allein in Deutschland am 20.09.2019 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gegangen [1] und Meinungsforscher*innen bestätigen immer wieder, dass die Klimakrise eine der größten Sorgen, Ängste und Anliegen der Menschen weltweit ist [2]. Klimawissenschaftler*innen betonen schon lange, dass endlich ernsthafte Maßnahmen ergriffen werden müssen. Eine angemessene Begegnung der Klimakrise ist also notwendiger und gewollter also je zuvor und bedeutet laut Pariser Abkommen die Begrenzung der globalen Erwärmung möglichst auf 1,5°C [3].

Für Deutschland bedeutet das laut Sachverständigenrat für Umweltfragen ein verbleibendes CO2-Budget von 4,2 Gt CO2 ab dem 01.01.2020 bei 50%-iger Wahrscheinlichkeit, dass das 1,5°C-Ziel eingehalten wird [4]. Damit Deutschland dieses Budget realistisch einhalten kann, benötigt es stärkere Reduktionsziele als die derzeit diskutierten, nämlich -60% CO2-Minderung in allen Sektoren bis 2025, -80% bis 2030 [5] und das Erreichen von Netto null bis spätestens 2035. Aufgrund dieser Erkenntnisse bedauere ich es umso mehr, dass kein 1,5°C-kompatibles Szenario im Rahmen des Netzentwicklungsplans betrachtet wird. Mit -79% Reduktion der CO2-Emissionen des deutschen Kraftwerksparks bis 2035 sind Szenario B und C zwar die ambitionierteren, gerade unter Betrachtung der Tatsache, dass der Energiesektor deutlich leichter zu transformieren ist als viele anderen Sektoren, jedoch noch immer absolut unzureichend für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels. Schon lange kritisiert Wissenschaft und Öffentlichkeit, dass der Netzentwicklungsplan kein Szenario besitzt, dass die Verpflichtung zur CO2-Minderung abbildet, die sich für Deutschland aus der Klimaschutz-Vereinbarung von Paris ergibt. Christof Timpe, Leiter des Bereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut, kritisierte bereits 2018, dass so keine sachgerechte Netzplanung gelingen kann [6].

Aufgrund dessen sollte für das weitere Vorgehen das ambitionierteste der vorliegenden Szenarien, Szenario C, zugrunde gelegt werden. Auch vor dem Hintergrund des europäischen Green Deals ist Szenario C das realistischste. Szenario A ist dabei mit einer verbleibenden installierten Braunkohleleistung von 7,8 GW im Jahr 2035 nicht diskussionswürdig und wird, gerade auch aufgrund europäischer Diskussionen über Anhebungen der Reduktionsziele, internationalen politischen und gesellschaftlichen Zielen nicht gerecht. Selbst unter der Annahme, dass sich die politischen Ziele des Kohleausstiegs in Deutschland nicht mehr ändern, ist sich die Wissenschaft größtenteils darüber einig, dass die Stromgestehungskosten der Kohle zu hoch liegen und sie so auch dank eines steigenden CO2-Preises weit vor 2035 aus dem Markt gedrängt wird [7].

Die Bundesnetzagentur sollte hier in der Prüfung des Netzentwicklungsplans statt Szenario A ein weiteres Szenario ergänzen, welches 1,5°C-kompatibel ist. Dass dies möglich ist, zeigt die Bestätigung des NEP 2030 (2019), in dem bei der Prüfung im Nachhinein ein weiteres Szenario ergänzt wurde, dass den Kohleausstieg berücksichtigt (C 2038*) und dafür ein anderes, dass diesem nicht gerecht wird (B 2035) nicht berücksichtigt wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt der drei Szenarien ist der geringe Anstieg des Stromverbrauchs im Zeitraum bis zum Erreichen des Zieljahres 2035. Während Szenario C mit einem Anstieg des Bruttostromverbrauchs auf 700 TWh im Jahr 2035 den höchsten Anstieg des Stromverbrauchs verzeichnet, ist dieser für eine echte Energiewende, wie sie die Erfüllung des Pariser Abkommens benötigt, zu gering. Wie bereits Eingangs erläutert, muss Deutschland bis 2035 Netto null erreichen. Studien, die Klimaschutzszenarien betrachten, in denen Deutschland Netto null oder nahezu Netto null erreicht und Wasserstoff- bzw. PtX-Importe nicht in unrealistisch hohem Maße angenommen wurden, rechnen mit einer notwendigen inländischen Stromerzeugung von circa 1.000 bis 1.400 TWh pro Jahr [8], [9]. Möchte Deutschland einen gerechten Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten und dem Pariser Abkommen entsprechen, so muss der Wandel hin zu einer "Netto null-Gesellschaft" beschleunigt werden und damit auch die Energiewende und die Sektorenkopplung. Dies hat zur Folge, dass Szenarien, wie die in den genannten Studien, beschleunigt werden müssen und die ermittelten erhöhten Stromverbräuche bereits 2035 eintreten werden. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch das Wuppertal Institut in der Studie "CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze" [10]. Vor diesem Hintergrund sind die im Netzentwicklungsplan 2035 angenommenen Stromverbräuche zu gering angesetzt und sollten deutlich nach oben korrigiert werden. Mit der Annahme der zu niedrigen Stromverbräuche wird der Beitrag des Stromsektors an der Dekarbonisierung anderer Sektoren vernachlässigt.

Ähnlich der Entwicklung des Stromverbrauches verhält es sich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier kommen Studien, die 1,5°C-kompatible Szenarien betrachten, zu dem Schluss, dass, um die inländische Stromerzeugung von 1.000 bis 1.400 TWh pro Jahr zu decken, es einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien von mindestens 25 bis 40 GW pro Jahr benötigt [10]. Denn für ein klimaneutrales Deutschland wird laut des Wuppertal Instituts eine installierte PV- und Wind-Leistung von circa 500-700 GW benötigt [10]. Die installierte Leistung von Windkraft- und PV-Anlagen in Szenario C des aktuellen Entwurfs des Netzentwicklungsplans liegt im Zieljahr 2035 jedoch lediglich bei 245 GW (bzw. 260,6 GW für die Summe aller erneuerbaren Energien) und damit deutlich zu niedrig.

Der im Netzentwicklungsplan 2035 angenommene Stromverbrauch sowie die Menge installierter Leistungen erneuerbarer Energien ist demnach zu gering. Die zu erwartenden Entwicklungen des erhöhten Stromverbrauchs und des erhöhten Ausbaus der erneuerbaren Energien sollten deswegen unbedingt in einem zusätzlichen Szenario ergänzt und beachtet werden.

Für mich ist außerdem nicht verständlich wie die auf Seite 81 des „Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021, 1. Entwurf“ [11] genannte 40%-ige Reduktion des Emissionsfaktors von Erdgaskraftwerken zustande kommt. Da dies im ersten Entwurf nicht genauer erklärt wird, bitte ich um eine Klarstellung im weiteren Verlauf des Netzentwicklungsplans. Generell erscheint es mir aufgrund technischer und ökonomischer Gesichtspunkte sowie vor dem Hintergrund globaler Gerechtigkeitsfragen als sinnvoll die benötigten Kapazitäten über einen verstärkten inländischen Ausbau der erneuerbaren Energien zu decken, statt auf erhöhte Importkapazitäten grünen Wasserstoffs oder sonstige Reduktionen des Emissionsfaktors zu hoffen.

Abschließend möchte ich mich nochmal für die Anfertigung der ersten Version des Netzentwicklungsplans 2035 bedanken. Trotz positiver Entwicklungen und der Betrachtung eines längerfristigen Szenarios sind die Betrachtungen insgesamt zu unambitioniert und werden dem Pariser Abkommen sowie den Erkenntnissen der internationalen Klimawissenschaft nicht gerecht. Hier hoffe ich im Laufe des Konsultationsprozesses auf Ambitionserhöhungen und plädiere dafür, dass in Zukunft 1.5°C-gerechte Szenarien zugrunde gelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Stromnetz für die Energiewende und damit für das Erreichen der Klimaziele gebaut ist und diese nicht ausbremst. Außerdem sehe ich einen zusätzlich zum Netzentwicklungsplan aufgestellten Systementwicklungsplan, der regelmäßig von unabhängigen Wissenschaftler*innen und unter Bürger*innenbeteiligung erarbeitet wird, als sinnvoll an.


Mit freundlichen Grüßen,


[Namen einfügen]


Literaturverzeichnis


[1] ZDF, „Rekordzahlen bei Klimademos - Wo die meisten Menschen auf die Straße gingen,“ 20 09 2019. [Online]. Available: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fazit-fridays-for-future-und-beschluesse-klimakabinett-100.html. [Zugriff am 07 12 2020].

[2] Zeit Online, „Zeit Online,“ 27 01 2021. [Online]. Available: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2021-01/klimawandel-umweltschutz-umfrage-klimanotstand-un-entwicklungsprogramm. [Zugriff am 15 02 2021].

[3] United Nations, „Paris agreement,“ 2015. [Online]. Available: http://unfccc.int/files/essential_background/convention/application/pdf/english_paris_agreement.pdf. [Zugriff am 7 12 2020].

[4] Sachverständigenrat für Umweltfragen, [Online]. Available: https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten. [Zugriff am 15 02 2021].

[5] Fridays For Future Deutschland, „Schlüsselergebnisse der Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie zu einem Beitrag Deutschlands zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze,“ [Online]. Available: https://fridaysforfuture.de/studie/schluesselergebnisse/. [Zugriff am 30 10 2020].

[6] energiezukunft, „Dezentrale Energiewende kann Netzausbau reduzieren,“ [Online]. Available: https://www.energiezukunft.eu/erneuerbare-energien/netze/dezentrale-energiewende-kann-netzausbau-reduzieren/. [Zugriff am 15 02 2021].

[7] Fraunhofer ISE, [Online]. Available: https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/DE2018_ISE_Studie_Stromgestehungskosten_Erneuerbare_Energien.pdf. [Zugriff am 2021 02 15].

[8] Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme, „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem,“ Freiburg, 2020.

[9] Forschungszentrum Jülich, [Online]. Available: https://www.fz-juelich.de/iek/%20iek-3/DE/_Documents/Downloads/transformationStrategies2050_studySu%20mmary_2019-10-31.pdf.pdf?__blob=publicatio%20nFile. [Zugriff am 15 02 2021].

[10] Wuppertal Institut, „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze,“ Wuppertal, 2020.

[11] 50 Hertz, Amprion, Tennet, TransnetBW, „Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021, Erster Entwurf,“ 29 01 2021. [Online]. Available: https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphs-files/NEP_2035_V2021_1_Entwurf_Teil1.pdf. [Zugriff am 19 02 2021].


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